1980 gründete Hilmar Wagner als Student das Vorgängerunternehmen der LIS AG
Die frühen 1980er-Jahre waren zweifelsfrei ein Meilenstein auf dem Weg ins Informationszeitalter. Firmen wie Xerox, Texas Instruments oder Atari entwickelten die ersten Rechner für den Heimgebrauch, die teilweise noch so groß waren wie Kühlschränke. Microsoft brachte mit dem Disk Operating System (MS-DOS) sein erstes und sehr beliebtes x86-Betriebssystem auf den Markt, IBM baute damit den Personal Computer (1981) und definierte einen weltweiten Industriestandard, auf dem letztlich noch heute viele marktübliche PCs basieren. Kurze Zeit später ebneten C64 (1982) und Apple Macintosh (1984) Mikrocomputern den kommerziellen Erfolg. Da reiht sich die LIS ein!
Denn auch im westfälischen Münster brach in den 1980er-Jahren die digitale Revolution los. „Ich habe damals Betriebswirtschaft an der Westfälischen Wilhelms-Universität studiert und war unheimlich technikbegeistert“, erinnert sich LIS-Gründer Hilmar Wagner. Um sich ein paar Mark dazuzuverdienen, war er als studentische Hilfskraft im Rechenzentrum der Uni tätig, wo er eifrig Codes schrieb, sie in Lochkarten stanzte und diese von Computern einlesen ließ. „Ich weiß gar nicht mehr, wie viele Löcher ich in die Kartonstreifen gestochen habe“, schmunzelt er. In dieser Zeit kam der schon damals tüchtige Mann erstmals mit dem Thema Transportmanagement in Berührung, als er dem Ruf eines Spediteurs folgte, dessen Mantra lautete: „Meine Disposition ist eine Börse – ich brauche Software!“ Im Auftrag der Firma Orga-Soft machte sich Hilmar Wagner an die Arbeit.
Unterschrift im Kreißsaal
Voller Tatendrang gründete er dazu gemeinsam mit Dr. Reinhard Liedl, einem wissenschaftlichen Mitarbeiter, den er im Hörsaal kennengerlernt hatte, sein erstes eigenes Unternehmen: die Wagner & Partner GmbH. Die letzte Unterschrift, mit der der Startschuss für sein unternehmerisches Leben fiel, leisteten er und seine Frau Ulrike geschichtsträchtig im Kreißsaal, wo wenige Minuten zuvor der gemeinsame Sohn und das heutige Vorstandsmitglied Magnus zur Welt gekommen war.
„Grafische Benutzeroberflächen und die Bedienung über eine Tastatur waren damals noch nicht sonderlich verbreitet“, erzählt Wagner. Er selbst hatte aber das Glück, bereits auf einem Computer mit Tastatur und Bildschirm programmieren zu können, und entwickelte darauf Dispositionssoftware. Dass es sich dabei bis 1984 um individuelle, nicht standardisierte Programme handelte, schmälerte nicht die Revolution: Erstmals war Transportauftragsbearbeitung am Computer möglich.
Für eine flächendeckende Etablierung fehlten dem Programm allerdings damals noch Spediteure, die über eine entsprechende Hardware verfügten. „Großrechner kosteten damals mehrere hunderttausend D-Mark und das Geschäft war dementsprechend wenig lukrativ“, so Wagner. Orga-Soft war binnen kurzer Zeit bankrott – und der so ehrgeizige Wagner stand als Subunternehmer praktisch auf der Straße. Allerdings nicht, ohne sich vorher die Rechte an seiner Software zu sichern. „Wir hatten schon so viel Zeit und Energie in die Software investiert, dass wir nicht aufgeben wollten. Wir waren überzeugt, dass unser Programm funktioniert“, erklärt Wagner.
Ehrgeizig entwickelte er es weiter. Mit großem Erfolg: Nach einem Coup, in dessen Zuge man den US-amerikanischen Großkonzern IBM ausgestochen hatte, zeigte sich der TechRiese so beeindruckt, dass Wagner ihn für sein Start-Up gewinnen konnte: „IBM bot uns eine Vertriebspartnerschaft an, mit der wir unser Unternehmen auf sichere Füße stellen konnten.“ Und auch die digitale Revolution leistete Starthilfe: „Plötzlich begannen Personal Computer zu boomen, da sie finanziell erschwinglich wurden. Damit war auch für entsprechende Software ein Markt da“, berichtet Wagner.
Folglich dauerte es auch nicht lange, bis weitere Kunden anbissen und die Erfolgsgeschichte ihren Lauf nahm: Mit der integrierten Anwendungssoftware für Speditionen, IAS 400, kam 1984 das erste standardisierte Programm auf den Markt. Auch das zweite Standardprogramm kam noch in den 1980er-Jahren heraus und wurde in Zusammenarbeit mit der Straßenverkehrsgesellschaft Münster an Speditionen verkauft. Ebenso in der zweiten Hälfte der Dekade erfolgte die Umfirmierung zur LIS Wagner & Partner GmbH.
Auch im Rennen um kreative Köpfe hatte das junge Unternehmen stets die Nase vorn: 1984 stieg Volker Lückemeier als Gesellschafter bei Wagner & Partner ein, der die Geschichte der LIS AG als späteres Vorstandsmitglied entscheidend mitprägte. Einige Jahre später wurde auch Volker von Lojewski an Bord geholt, der die neue Führungsriege komplettierte und seit 1999 auch die Rolle des LIS-Aufsichtsratsvorsitzenden übernahm. „Die beiden waren nicht nur verlässliche Geschäftspartner, sondern auch langjährige Freunde. Leider erleben sie den 40. Geburtstag unserer Firma nicht mehr mit“, erzählt Wagner.
Etablierte Software
Gleich zu Beginn des neuen Jahrzehnts – 1990 – gelang dem Unternehmen ein weiterer Meilenstein: die Entwicklung der Branchenlösung SPEDIA, die erstmalig auf netzwerkfähigen PCs angewendet werden konnte. Nur drei Jahre nach dem Umzug nach Greven firmierte das Unternehmen 1997 um zur LIS Logistische Informationssysteme AG und die erste Version des SPEDIA-Nachfolgers WinSped erschien. Dass sich die Software so gut entwickeln würde, war zu der Zeit noch nicht abzusehen, ergab sich dann aber mit zunehmender Etablierung von Windows als Betriebssystem automatisch.
Im weiteren Verlauf der Jahre wurde der Anwendungsbereich der Software immer größer. „Unser Unternehmen hat sich als ebenso anpassungsfähig bewiesen, wie unsere Software“, so Wagner begeistert. Bis heute ist unser mehrsprachiges Transport Management System marktführend und europaweit bei Kunden mit fast 1200 Standorten im Einsatz. Tochtergesellschaften in den Niederlanden, Frankreich, Polen und Spanien sind hierfür die aktuelle Grundlage. Ohne Hilmar Wagners Einsatz und seinen guten Instinkt wäre das wohl nicht möglich gewesen. Darauf ist der LIS-Gründer stolz: „Mit neuen Ideen unseren Kunden immer wieder einen Mehrwert zu bieten, war die Grundlage für unseren Erfolg.“