Dr. Bernhard van Bonn vom Fraunhofer-Institut zum Thema Sammelladungen

Dr. Bernhard van Bonn vom Fraunhofer-Institut zum Thema Sammelladungen

Seit beinahe 30 Jahren beschäftigt sich Dr. Bernhard van Bonn mit der Distributionsplanung. Als Wissenschaftler am Fraunhofer-Institut für Materialfluss und Logistik (IML) sowie als Mitglied der Geschäftsführung und Consultant der Logistikberatung VCE Verkehrslogistik Consulting & Engineering GmbH vereint er die akademische und die praxisorientierte Perspektive. Wir haben ihn zum Thema Sammelladungen interviewt.

Herr Dr. van Bonn, fangen wir ganz basal an: Was unterscheidet Sammelverkehre von anderen Transporten?

Ein wesentliches Merkmal von Sammelladungen ist, dass sie per Definition darauf ausgelegt sind, möglichst gut ausgelastete Transporte zu erzeugen. Sie sind sozusagen von Grund auf ein kooperatives Modell. Das heißt, die Ver- und Entsorgung von Verladern und Empfängern geschieht gemeinschaftlich.

Wann sind Sammelladungen sinnvoll?

Immer, wenn die Sendungsmengen unterhalb der Teilladung liegen und einen standardisierten Ladungsträger verwenden. Also, sobald etwas auf Paletten, in Gitterboxen und so weiter transportiert wird. Ideal für die Fahrzeugauslastung und das Handling ist es, wenn pro Lkw nur Ladungsträger derselben Sorte genutzt werden. Lang- und Sperrgut ist eher ungeeignet. Ziel muss es sein, kleinere Transporte auf einem Fahrzeug zu bündeln. Daher ist auch wichtig, dass der Spediteur sinnvolle Relationen zusammenfassen darf.

Wie entwickeln sich Sammelverkehre im Vergleich zu anderen Transportsparten?

Es gibt einen schon lange anhaltenden Trend zu kleineren Sendungen in höheren Frequenzen. Gleichzeitig sind unsere Ressourcen an Infrastruktur sowie die verfügbaren Fahrer und Fahrzeuge endlich. Die Corona-Krise zeigt deutlich, wie schnell wir in Zeiten der Spitzenlast an Grenzen stoßen. Daher dürfte jeder Ansatz, Verkehre zu bündeln und Transporte gemeinsam auf den vorhandenen Mitteln durchzuführen, zukunftsgerecht sein. Dies betrifft also auch oder insbesondere Sammelverkehre.

Ist diese Transportsparte wirtschaftlich mehr oder weniger lukrativ als andere?

Das kann man so nicht beantworten. Grundsätzlich haben Sammeltransporte das Potenzial für höhere Gewinnmargen. Allerdings muss der Spediteur diese auch bedarfsgerecht steuern beziehungsweise steuern können und dürfen.

Welche Hemmnisse gibt es?

Das größte Problem ist das Exklusiv-Denken der Auftraggeber. Viele Verlader haben ein Problem damit, wenn ihre Waren mit denen anderer Verlader gemeinsam auf einem Lkw sind. In so mancher Ausschreibung wird sogar ein Markenbranding der Lkw-Planen verlangt. Dieses Denken ist kontraproduktiv und kostet auch den Auftraggeber Geld, da es dem Spediteur weniger Möglichkeiten der Bündelung bietet. Gleichzeit sinken aber die Einzelvolumina der Transportaufträge ständig. Letztlich können Verlader überzeugt werden, Sammelverkehre zu nutzen, wenn die Informationsversorgung stimmt. Digitale Liefer-Avisierung, Auftragsvermittlung, Tracking & Tracing erhöhen die Verlässlichkeit der Transporte. Allerdings ist die Digitalisierung dafür noch nicht weit genug fortgeschritten. Wenn sie das ist, kann der Spediteur smarte IT-Tools auch zur Unterstützung und dynamischen Planung der Sammeltransporte nutzen.

Welche Möglichkeiten gibt es, Touren zu vermeiden?

Ganz klar: die dynamische Disposition. Dabei gibt es zwei Stufen: Die erste ist die Abkehr von statischen (Rahmen-)Touren, wo jeden Tag die gleichen Gebiete angesteuert werden. Diese muss durch täglich passgenaue Touren mit entsprechender Routenführung ersetzt werden. So können rund zehn Prozent der Touren eingespart werden. Im zweiten Schritt ist sogar eine dynamische Touren- und Routenführung, während das Fahrzeug schon unterwegs ist, denkbar. Reaktionen auf aktuelle Verkehrssituationen oder die Hinzunahme neuer Abholaufträge, die gerade erst hereingekommen sind, werden möglich.

Link zum Fraunhofer IML: www.iml.fraunhofer.de

Über Dr. Bernhard van Bonn

Dr. Bernhard van Bonn ist stellvertretender Leiter der Abteilung Verkehrslogistik am Dortmunder Fraunhofer-Institut für Materialfluss und Logistik (IML) und Mitglied der Geschäftsführung der Logistikberatung VCE Verkehrslogistik Consulting & Engineering GmbH. Er hat Informatik an der TU Dortmund studiert und promovierte im Fachbereich Maschinenbau zum Dr.-Ing. mit dem Schwerpunktthema Distributionsplanung. Um dieses ranken auch die zahlreichen Projekte mit Partnern aus Industrie, Handel und Dienstleistung, die er am IML seit 1992 durchführt. Ergänzt wird dieser Themenbereich durch seine Forschungen und Beratungstätigkeiten rund um die Digitalisierung von Logistikprozessen.

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